Die unangenehme Info zuerst
Es gibt keine allgemein gültige glasklare Definition, die du auf Wikipedia nachlesen kannst. Das Wort klimasensibel wird in unterschiedlichen Kontexten verwendet – von Stadtplanung über Forstwirtschaft bis hin zur Medizin -, trotzdem kennt es auch der Duden (noch) nicht. Der Begriff klimasensibles Webdesign im Speziellen kommt nur selten vor – das erkennt man schon daran, dass Google für diesen Suchbegriff kaum passende Ergebnisse liefert. Im Webkontext ist öfter von nachhaltigem Webdesign oder Green IT die Rede, aber diese Begriffe passen nicht ganz zu meinem Zugang zu Webdesign.
Klimasensibilität im Web hat drei Dimensionen
Worum geht es also eigentlich?
So wie ich das sehe, sind, wenn es um klimasensibles Webdesign geht, drei Dimensionen zu beachten:
- Wir gestalten Websites so, dass sie möglichst wenig Treibhausgas emittieren.
- Wir gestalten Websites so, dass die nicht vermeidbaren Emissionen einen möglichst großen Gegenwert für uns haben.
- Wir tun das, möglichst ohne die Vermeidung von Emissionen gegen den Artenschutz auszuspielen.
Alle Dimensionen gehören zusammen. Sich nur um eines dieser Dinge zu kümmern, ist meiner Ansicht nach zu wenig, um ernsthaft und ehrlich klimasensibel zu arbeiten.
Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, widme ich mich einer Reihe von Dingen, von denen du im Zusammenhang mit Webdesign sicher schon das eine oder andere Mal gehört hast – und kombiniere sie mit einer Handvoll neuer Ansprüche.
Effiziente Abläufe und schlanke Software
Klimasensibilität beginnt schon, bevor eine Website online geht. Effiziente Kommunikation im Team und die Nutzung von schlanker Software zur Erstellung und weiteren Bearbeitung der Website sparen Zeit und Energie.
Green Hosting
Beim Hosting wird auf Ökostrom gesetzt. Neueste Berechnung zeigen, dass ca. 20% der Energie, die zum Laden einer Website nötig ist, auf den Betrieb von Servercentern entfallen (Quelle: Sustainable Webdesign). Hier kann man also ca. ein Fünftel der Gesamtemissionen einsparen.
Gerade beim Hosting macht es aber auch Sinn an den Artenschutz zu denken, denn der Großteil des österreichischen Ökostroms kommt aus Wasserkraft – und die ist natürlich ein massiver Eingriff in bestehende Ökosysteme (Auf der Website des ORF kannst du nachlesen, was der Fischereiverband aktuell dazu sagt). Es gilt also auch bei der Verwendung von Ökostrom möglichst ressourcenschonend vorzugehen, um das Klima langfristig zu schützen. Wie der Artenschutz zum Klimaschutz beiträgt, kannst du z.B. auf der Website der Vereinten Nationen nachlesen.
Barrierefreies Design
Barrierefreies Design hilft auf unterschiedlichen Ebenen mit, den Treibhausgasausstoß im Web zu minimieren und einen großen Gegenwert zu schaffen:
- Sind Websites barrierearm umgesetzt, sind sie (meistens für alle) effizienter bedienbar. So können z.B. deutliche Kontraste und die Anpassbarkeit der Textgröße mittels Browsereinstellungen verhindern, dass User ständig in den Content hineinzoomen müssen, um ihn gut wahrnehmen zu können. Das spart Energie in der Anwendung.
- Schlanker Code sorgt dafür, dass Nutzer*innen von Screenreadern nicht durch inhaltlich irrelevante Spielereien abgelenkt werden und steigert die Energieeffizienz.
- Um infrastrukturelle Barrierefreiheit zu erreichen, werden Websites so gestaltet, dass sie auch bei schlechter Internetverbindung und auf älteren Geräten zugänglich sind. Das bedeutet einerseits, dass energieintensive Inhalte, wie z.B. Videos, nur dann geladen werden, wenn die User sie auch wirklich sehen möchten. Und andererseits, dass User ihre Endgeräte länger verwenden können. Weniger Müll – weniger Neuproduktion – weniger Treibhausgas.
- Außerdem werden durch barrierefreies Design Informationen für Menschen mit dauerhaften und zeitlich begrenzten Einschränkungen leicht zugänglich. Big Win für die Website-Betreiber*innen.
Content-Gestaltung und UI
Eine nachvollziehbare Informationsstruktur hilft Nutzer*innen dabei, sich schnell auf einer Website zurecht zu finden und ihre Anliegen zügig umzusetzen. So sparen wir Zeit und Energie.
Gleichzeitig wird durch die Reduktion auf die wirklich wesentlichen Inhalte das Messaging verbessert. Ablenkungen und Irritationen werden vermieden, um das bestmögliche Nutzer*innenerlebnis zu schaffen.Suchmaschinenoptimierung
Die beste Website hilft nicht, wenn sie nicht gefunden wird. Suchmaschinenoptimierung hilft Website-Betreiber*innen dabei, ihre Zielgruppe zu erreichen. Nutzer*innen unterstützt sie dabei, möglichst rasch die beste Lösung für ihr Problem zu finden. So bietet sie einen Mehrwert für beide Seiten und den Planeten.
Performance-Optimierung
Super für die Ladezeit, das Nutzer*innenerlebnis, das Suchmaschinen-Ranking und das Klima ist Performance-Optimierung. Sie sorgt dafür, dass Websites so leicht wie möglich sind (d.h., dass das Datenvolumen klein bleibt) und trägt damit zur Treibhausgasreduktion bei.
Wie du siehst, entstehen hier sehr viele Überschneidungen. Das ist ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass einzelne Maßnahmen sehr gut ineinanderwirken können und sich teilweise noch verstärken.
Ist es das wert?
Über allem steht während des gesamten Prozesses eine Frage: Ist das, was wir hier erarbeiten, seine Treibhausgasausstoß wert?
Diese Leitfrage hilft uns zu entscheiden, welche Elemente auf einer Website verbaut werden und welche die Ansprüche klimasensiblen Arbeitens einfach nicht erfüllen (und deshalb nicht umgesetzt werden).
Die Antworten auf die Frage nach dem Wert der Treibhausgasemissionen fallen natürlich immer sehr subjektiv aus. Solange es für Klimaschutz im Web nicht ähnliche (rechtlich bindende) Vorgaben gibt wie für Datenschutz oder Barrierefreiheit, wird das auch sicher so bleiben. Die persönliche Einschätzung der Website-Betreiber*innen ist momentan das beste Maß, das wir haben.
Meiner Erfahrung nach ist das aber kein schlechtes Maß. Denn wer mutig genug ist, sich solchen Fragen zu stellen, dem ist Klimaschutz normalerweise ein ehrliches Anliegen. Menschen, die sich für eine klimasensible Website entscheiden, sind oft bereit unorthodoxe Entscheidungen zu treffen, um ihre Ziele zu erreichen.
Mein Fazit
Klimasensibles Webdesign ist kurz gesagt sehr aufmerksames Webdesign mit Klimaschutzanspruch. Es führt zu einer bewussteren Gestaltung von Websites und macht im Idealfall nicht nur Webauftritte, sondern auch Unternehmen besser.