Kleines Intro: Die ganze Situation hat recht unspektakulär begonnen. Eines meiner Sparkonten ist abgelaufen und die Frage war dann einfach: Wohin mit dem Geld? Die Bank bietet dazu natürlich einige Veranlagungsoptionen an, die ich über die entsprechende App ganz leicht selbst (ohne fremde Hilfe) in Anspruch nehmen kann. Theoretisch. Praktisch ist es ein bisschen anders gelaufen …

Der vermeidbare App-Frust

Alles hat damit begonnen, dass sich ein Windows-Update nicht mit der von der Bank zur Verfügung gestellten Desktop-App vertragen hat. Die App konnte deshalb nicht mehr geöffnet werden. Die Bank hatte dazu keine Information zur Verfügung gestellt, also habe ich erstmal mehrere Male versucht die App zu öffnen, alle anderen Programme zu schließen, den Computer neu zu starten, … Mein erster Impuls war wie immer: Der Fehler muss bei mir liegen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich bemerkt habe, dass das nicht so ist.

Leider braucht man diese App aber unbedingt, um einen Antrag auf Weiterveranlagung zu stellen, also war da fürs Erste Schluss mit meinen Geldveranlagungsambitionen.

Damit doch noch was mit dem Geld passiert, habe ich einen schon vorsorglich ausgemachten Vorort-Termin in der Bank genutzt, um die Sache mit meinem Berater zu besprechen.

Kommunikationsschwierigkeiten vor Ort

Ich fahre also zur Bankfiliale. Der Berater ist so nett mir die Berechtigung für die Mobil-App zu erteilen (die funktioniert angeblich immer) und ich habe jetzt eine zusätzlich App-Option, falls wieder mal alle Stricke reißen.

Wir besprechen kurz, wie ich mein Geld in Zukunft veranlagen möchte, ich entscheide mich für eine Option, der Berater löscht mein abgelaufenes Sparkonto und erklärt mir, dass das Hin- und Herbuchen des Veranlagungsbetrags bis zum nächsten Arbeitstag dauern wird. Dann würde er nur noch auf sein Knopferl drücken und alles sei erledigt. Klingt super, die Sache mit der Desktop-App ist für mich gegessen.

Einige Tage vergehen, nichts passiert. Das Geld lagert auf meinem Girokonto, aber das will ich ja eigentlich nicht. Ich frage also beim Berater nach, was da passiert ist. Es stellt sich heraus, dass ich ihn wohl falsch verstanden habe. Nicht er drückt auf das Knopferl, sondern ich muss das machen. Aber welches Knopferl? Egal.Iich finde das schon, wenn ich mich in die App eingeloggt habe. Danke für die Info.

Noch mehr App- und Website-Frust

Ich arbeite wirklich lieber auf größeren Bildschirmen (wahrscheinlich eine Alterssache) und google deshalb noch mal das Problem mit der Desktop-App. Ich lerne, dass mittlerweile ein App-Update zur Verfügung steht (über das ich nicht informiert wurde), das alle Probleme löst. Ich lade es herunter, installiere es und die App lässt sich wieder öffnen. Juhu!

Jetzt kann ich mich also auf die Suche nach dem Knopferl machen. Ich bemühe mich wirklich, aber ich finde den richtigen Knopf einfach nicht. Ich finde nur ein ähnliches Angebot, bei dem die Optionen, die mich interessieren, ausgegraut und nicht klickbar sind. Nach 45 min. gebe ich auf, schreibe dem Berater eine Nachricht und bitte ihn, sich um das Problem zu kümmern.

Gleich am nächsten Tag bekomme ich Antwort: Der Berater erklärt mir, dass ich das von mir gewünschte Produkt nicht über die App beantragen kann. Ich muss das über die Website machen. Er hätte die Seite gerade offen, da würde alles funktionieren (den Link schickt er mir nicht mit).

Ich öffne also die Website und mache mich auf die Suche nach dem richtigen Angebot. Im Menü finde ich den entsprechenden Link nicht, aber eine Volltextsuche über das Suchfeld führt mich zur richtigen Information. Dort werde ich behandelt wie ein Neukunde. Ich muss alle Daten, die die Bank längst von mir hat, nochmal eingeben und komme dann zur finalen Antragsübersicht, die mir alle Infos nochmal anzeigt – außer den veranlagten Geldbetrag. Als Legasthenikerin wäre es für mich zwar echt beruhigend, wenn ich nachkontrollieren könnte, ob ich mich bei der Eingabe vielleicht vertippt habe, aber gut. No risk, no fun.

Ein hart er­arbeitetes Erfolgs­erlebnis

Jedenfalls erkennt mich das System jetzt wieder, ich kann alle nötigen Dokumente unterschreiben und zwei Tage später landet mein Geld tatsächlich auf meinem neuen Sparkonto. Ich bin erleichtert, dass ich eine 5-min.-Aufgabe in 10 Tagen erledigen konnte.

Learnings

Hier sind ein paar Dinge, die du aus dieser Geschichte für deine eigenen Webanwendungen lernen kannst:

  • Baue das UI deiner Anwendung niemals nur nach deiner eigenen Logik auf. Frage dich immer, wie echte User sie verwenden – und frage auch die User. Welche Vorannahmen treffen sie? Welches Vorwissen haben sie? Welche Abläufe sind sie gewöhnt? Welche Begriffe können sie gut verstehen? In welcher Situation nutzen sie dein Angebot? Das bringt dich in Sachen Usability nach vorn.
  • Informiere Nutzer*innen proaktiv über Störungen und Störungsbehebungen. Eine kaputte Webanwendung zu verwenden, ist einfach nur frustrierend. Diesen Frust bekommt am Ende dein Support-Team ab – oder die Nutzer*innen wechseln zu einem anderen Anbieter.
  • Wenn jemand einen Bereich deiner Website nicht findet, schicke der Person doch bitte einfach den Link zu, anstatt sie immer wieder suchen zu lassen. Das kostet dich nichts und ist ein echt guter Service.
  • Wenn du von deinen Nutzer*innen eine bestimmte Handlung erwartest, sage ihnen deutlich, was das ist. Sage nicht „aufs Knopferl drücken“, wenn du von einem 15-minütigen Prozess sprichst – das ist ziemlich irreführend.

So viel dazu. Ich hoffe, mein Ärger bringt dir was für dein nächstes Webprojekt.